Stockig und muffig

Freikarten sind ein gefährliches Gut. Manchmal höre ich mir Sachen an, nur weil sie umsonst sind. Gestern wäre ich besser fern geblieben- zur Schonung der Laune.
Zuerst muß ich natürlich der Neidfalle entkommen und ich erkenne feierlich an:

  • Natürlich ist Markus Stockhausen ein technisch perfekter Trompeter
  • Natürlich wäre ich froh, beherrschte ich mein kompositorisches Handwerk in adäquater Weise
  • Natürlich hätte ich auch gerne so Jobs.

Geschenkt.

Der Sohnemann war also in Solingen zu Gast. Da findet er auch die ergrauten Symphonyplus Abonnenten, die er als Publikum verdient. Da darf man es sich erlauben die schlimmsten Manirismen der 70er Jahre noch mal kompositorisch zu verwursten. Aber hübsch der Reihe nach erzählen.

Der Abend begann mit der Kompostion “Portait für Tara”, gewidmet der Solistin Tara Boumann am Bassethorn. Dieser seltene und spröde Klarinettenklang war der eigentlich Grund meiner Irrung. Sechssätzig kommt “Portait für Tara” daher, überschrieben mit:

1. energetic, male
2. female, tender, very quiet
3. childlike, cheerful
4. the bear
5. angry! – conciliatory
6. Tara’s flight

Ein paar pärdsche Cluster wachsen ins Ohr, die Klarinette jodelt unbekümmert gewiß tiefgründige Phrasen. So klingt’s in etwa. Irgendwann muß das arme Solistenmädel sich hinsetzen und das tiefe C mit ihrem nackten Füßlein dämfen. Bei weitem der entzückendste Anblick des Konzerts. “The bear” erfordert artiges Aufstampfen am Begin jeder Phrase, das wirkt energetisch und animalisch wild. Dann wird wieder gejodelt und alles klatscht. Ich auch, denn nur Einfallslosigkeit macht noch kein schlechtes Konzert.

Nun betritt der Maestro die Bühne und die Lücken auf dem Podium werden mit dem Rest der Bergischen Sinfoniker gefüllt. Dann dröhnt es gewaltig, weil alles verstärkt ist und der Mischer überfordert. Im Brei klingt ein Thema, das an die “König der Löwen” Edition von ECM erinnert. Irgendwo in die eigentlich modale Jazzkomposition sind ein paar Brocken Kontrapunkt für die Streicher und ein Holzbläserquartett eingestreut. Klingt alles wie:”Hoppla, hört hin, das kann ich auch.” “Sonnenaufgang” heißt die Esojazzsülze mit Orchester.Aber da hat der Fuchs von einem Komponisten noch was ganz Wildes eingebaut. Aus einem Orchesterpart entwickelt sich ein wüst kakophonisches Durcheinander, und: Wahnsinn! die Musiker stehen auf und verlassen dümmlich grinsend das Podium Richtung Zuschauer- fieses Gefühl, diese knappe Minute ohne Noten und sich der peinlichen Geste durchaus bewußt. Aber dann ist immer noch nicht Ende, die verbliebenen Musiker müssen noch warten bis das Thema noch mal aufkitscht, den letzen Akkord spielen die im Kollegen im Saal mit. Uff.

Ich bin dann in der Pause gegangen und habe mit meinem Kumpel Brasilien- Kroatien geschaut- auch nicht der Brüller aber mäßiger Fußball macht mich nicht so agressiv, wie gestische Avantgard und Subventionsmusik. Auch ein Fall von Aufmerksamkeitsökonomie, Herr Becker?