Die Aesthetik des Widerstands- Peter Weiss

„Ich war Autodidakt. Meine Entwicklung wäre anders verlaufen, hätte ich einer ökonomisch begünstigten Familie angehört. Desto höher war die Leistung meiner Eltern zu bewerten, die den Umgang mit Literatur zu etwas Dazugehörigem machten.In der Schule, bis zu meienem zwölften Jahr, war ich eineme System ausgesetzt, unter dem wir zu nichts anderem als zu Arbeitsvieh erzogen wurden. Kein einziger Lehrer hätte je den Versuch unternommen, die Begabung, die in uns allen lag, auch nur durch den geringsten Anstoß zu fördern. Wir waren, als Kinder eines proletarischen Viertels, zur Nichtigkeit bestimmt, ein Wort, das von Reflexion zeugte, wurde niedergeschlagen mit Fäusten und Stöcken. Wenn mein Vater übermüdet nach Hause gekommen war, setzte er sich doch immer noch mit einem Buch an den Tisch und besprach die Lektüre mit mir. Er war es, der mich anregte in die Bibliothek zu gehn. Aus Abteilungen, die uns Kindern verschlossen waren, brachte er mir die Werke mit. Das Lesen, das Betrachten von Kunstreproduktionen gehörte zum Dasein. Die Literatur war eine Notwendigkeit. Wann mein Interesse für Bücher geweckt worden ist, konnte ich nicht sagen. Es lagen immer Reiseschilderungen, Biographien, Berichte über Entdeckungen und historische Ereignisse bei uns in der Küche, Sie erschlossen sich mir Seite für Seite, ihr Inhalt begleitete mich bis in den Schlaf. Ayschmann wollte eine Ausnahme in diesem Vorgang sehen. Wir aber gingen davon aus, daß die Beschäftigung mit Literatur, Philosophie und Kunst überall möglich war. Allen war die Fähigkeit gegeben nachzudenken. “ (Suhrkamp1998, S.418f.)

Das ist mir sehr nahe: vom Vater lesen gelernt,nicht technisch, aber die Haltung: Im Buch steckt Wahrheit und ich lese ja heute immer noch ganz protestantisch- auf der Suche nach der Erlösung. Das Wort, Buchkultur. Auch das wilde, verbissen ins Lesen kenne ich, sowohl im Betrachten, als auch selbst. Schild und Waffe, das Buch. Hier sehe ich es, die kleine Küche, rieche Kohl und Menschendunst und Bücher.