Saxophonunterricht für erwachsene Anfänger

Der Wunsch, ein Instrument zu spielen; kommt vielen Menschen erst im fortgeschrittenen Lebensalter. Gerne sind die Schüler dreißig, vierzig, mein ältester war bisher 83. Das ist der Lebensabschnitt nach der Ausbildung: in Beruf und im Sozialen hat sich alles soweit eingespielt, das Raum entsteht für ein menschliches Bedürfnis, die Musik.

Dann kommen die neuen Schüler zu mir, mit recht unklaren Vorstellungen aber gewaltigen Erwartungen. „Bin ich musikalisch“ ist da so ein Frage. Viele Menschen beantworten dies mit „nein“, und begründen es mit der Feststellung, sie könnten nicht Notenlesen. Noten lesen oder schreiben können ist eine phantastische Fähigkeit, wenn die Musik aber nur von ihr abhinge, wäre sie keine Kunst und es gäbe sehr wenig davon. Musikalilät und Musik hat zuallererst etwas mit Hören zu tun. Musik besteht aus prozessualisierten Klängen. Je genauer unsere Auffassung von diesen Abläufen ist, um so näher befinden wir uns an dem Ideal der „Musikalität“. Kann ich eine Melodie nachsingen? Kann ich ähnliche Melodien auseinanderhalten? Spüre ich einen Puls in der Musik? Das sind einige von den vielen Fragen die Auskunft geben über die eigene Musikalität.

An zweiter Stelle der Anfängerprobleme steht die motorische Koordination. Je besser die Fähigkeit ausgeprägt ist, desto leichter fällt es ein Instrument zu erlernen. Aber leider kann ich nicht versprechen, daß es hier Analogien hagelt. Ich spiele zwar virtuos Saxophon und Klarinettte, tippe aber diesen Text mit vier Fingern in die Tastatur. Zu meiner Entlastung: Ich habe das 10 Fingersystem nie richtig geübt. Das ist dann auch die Überleitung zum allerunterschätztesten Punkt: der Zeitfaktor.

Musik ist- wie sich schon andeutet- enorm komplex. Und alle (Laien) unterschätzen die Zeit, die sie als Investition fordert. Ein junger Mensch, der sich heute entschließt sein Musikstudium aufzunehmen, hat je nach Instrument 10.000-15.000 Stunden geübt. Ein junger Klarinettist, der mit neunzehn Jahren an die Uni geht und seit dem elften Lebensjahr spielt, hat also im Schnitt wenigstens jeden Tag 3-4 Stunden geübt. Daran mißt man sich ohne zu wissen, gegen wen man antritt. Das ist so als ob Somalia einen Angriff auf die USA plant. Wenn man Anfänger ist, soll man sich auch so einschätzen und das auch genießen. Ich denke, die Grundlagen eines Blasinstruments einzuüben dauert 1000 Stunden. Wenn man jeden Tag eine halbe Stunde übt, sind das 6 Jahre. Das hängt dann auch noch etwas von dem letzten Punkt ab, den ich hier ansprechen will: der Begabung.

Auch hier hat man viele Bilder im Kopf, Mozart an erster Stelle, Wunderkinder und Geniekult, im Ohr hat man die besten geschnittenen Aufnahmen der letzten 50 Jahre und alles verdichtet sich zu dem wirren Begriffswust der „Begabung“. Mein Lehrer an der Uni sagte mal ziemlich schnippisch: „Begabt ist jeder zweite.“ Das stimmt auch so. Begabung macht vieles einfacher, aber in der Musik ist es wie in allen anderen Bereichen. Man kann fast alles lernen. Die einzige Frage ist, ob man mit der Geschwindigkeit des Fortschreitens zufrieden ist.
Hören ist erlernbar.
Die Finger bewegen ist erlernbar.
Die richtige Menge Luft ins Instrument drücken, richtiges Atmen,und und und.

Begabung erleichtert nur, nimmt einem aber das Lernen selber nicht ab. Es gibt sogar Begabungen, die hinderlich oder sogar schmerzlich sind. Das berühmte „absolute Gehör“ hat schon manchen in die Verzweiflung geführt. Ein Geiger hat mir erzählt, sein Gehör sei auf 440Hz geeicht. Leider stimmte sein Orchester, wie viele weltweit, auf 442Hz. Seit diesem Tag leidet der Mann, weil seine Umwelt für ihn falsch klingt. Also immer vorsichtig mit der Begabung.

Ich freue mich auf Anmerkungen.